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Teamwork aus dem Cockpit für Ihr Projekt



Quelle: projektmagazin.de

Von der Teamführung guter Piloten lernen


Um die Sicherheit im Luftverkehr zu erhöhen, investierte die Luftfahrt-Industrie seit den 1980er Jahren viel Zeit und Geld, um zu verstehen, wie Menschen und Teams sich verhalten und wie sie optimal zusammenarbeiten. Ein Flug hat wie ein Projekt einen Plan, eine definierte Zeitachse sowie ein Team, das sich formen und leistungsfähig zusammenarbeiten muss. Grund genug, einmal zu beleuchten, was Projektteams von der Teamarbeit aus dem Cockpit lernen können. In dieser zweiteiligen Artikelserie beschreibe ich, welche Erkenntnisse die Luftfahrt gewann und wie diese sich auf Projektteams übertragen lassen.

Was Projektleiter und Piloten gemeinsam haben


Die Gemeinsamkeiten zwischen Projekten und der Luftfahrt beginnt nicht erst mit dem Teambuilding oder Kick-Off. Bereits in der Ausbildung sehe ich deutliche Parallelen: Bei der Pilotenausbildung werden "Einzelkämpfer" ausgebildet, der erste Alleinflug ist ein markanter Meilenstein am Beginn der Ausbildung. Auch spätere Prüfungen zur Lizenz oder Instrumentenflugberechtigung müssen stets alleine und ohne fremde Hilfe durchgeführt werden. Hat ein Pilot die Ausbildung so durchlaufen, startet eine einwöchige Ausbildung, das "Multi Crew Concept", in der er das über Jahre Erlernte zum Teil wieder verändern und lernen muss, als Teil eines Teams zu agieren. Denn der spätere Arbeitsplatz wird eine Team-Umgebung sein. Erkennen Sie Parallelen zu Ihrer Organisation?

Konzepte fürs Teamwork – nicht nur im Cockpit nützlich


Die Luftfahrt ist eine Branche, in der die Arbeitsumgebung der Teams sehr realitätsnah simuliert werden kann: in Flugsimulatoren. So entstanden über die Jahre nicht nur viele wertvolle Studien, sondern auch konkrete Konzepte und Handlungsanweisungen sowie Ausbildungskonzepte zum Teamwork. Aus diesen bewährten Themen bedienen sich mittlerweile auch andere Bereiche, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind; allen voran die Teams in Operationssälen von Krankenhäusern, aber auch Rettungsdienste.

Zusammenarbeit als Team


Im Cockpit fliegen in der Regel ständig neue Teams miteinander. Menschen, die sich noch nie begegnet sind, müssen regelmässig innerhalb weniger Minuten (mehr Zeit steht vor einem Flug nicht zur Verfügung) ein performantes Team bilden. Der ständige Wechsel ist durch die Komplexität im Personalmanagement bedingt und soll zudem verhindern, dass Regelverstösse durch "Verbrüderung" entstehen. Das fehlende Teambuilding wird als kleineres Risiko bewertet, sonst würden die Airlines eher mit stabilen Team-Settings operieren. Die Bewertung von Teamzusammenstellungen im Projekt (und auch beim Militär) geht hingegen in die gegenteilige Richtung: Stabile Teams sind in der Regel leistungsfähiger.

Erkenntnisse über Teambuilding


Die Wissenschaftler der NASA konzipierten Experimente, in denen sie die Cockpit-Besatzung (die damals noch aus drei Mitgliedern bestand) über mehrere Tage in verschiedenen Simulator-Sitzungen in eine Übermüdungssituation treiben wollten. Die Teamleistung wurde über die Fehler der Crew in Ausnahmesituationen (Triebwerksbrand usw.) definiert. Die Annahme war, dass die Leistung des Teams durch die zunehmende Übermüdung Tag für Tag abnehmen würde. Die Forscher beobachteten jedoch das genaue Gegenteil: Das Team wurde immer besser. Die Erklärung: Die durch über mehrere Tage stattfindendes Teambuilding gesteigerte Teamleistung hatte die negativen Effekte der Übermüdung kompensiert.

Bedeutung der Führung


Eine andere Studie hatte zum Ziel, die Auswirkung von Stress auf Menschen zu untersuchen. Die Leistung bricht bei jedem Menschen ab einem bestimmten Stresslevel ein. Der Versuchsaufbau der Wissenschaftler waren wieder viele Flüge im Simulator, bei denen die simulierten Notfälle so zugeschnitten waren, dass sie den dritten Mann im Cockpit, den Flugingenieur, durch Überlastung in die Handlungsunfähigkeit treiben sollten.

Die Auswertung der Daten ergab, dass das Stresslevel, bei dem das Versagen des Flugingenieurs eintrat, keineswegs an der Person des Ingenieurs lag, wie zunächst vermutet wurde. Vielmehr gab es einen klaren Zusammenhang zwischen dem vom Ingenieur bewältigten Stresslevel und der Person des Kapitäns. Gute Kapitäne erreichten eine bessere Verteilung der Arbeitslast im Cockpit und konnten so eine höhere Leistung des Teams verbuchen.

Teamwork bewerten


Der erwähnte Zusammenhang zwischen Teamleistung und Unfallzahlen führte dazu, dass die Airlines die Qualität des Teamworks bewerten. Dies geschieht in erster Linie, um den Crew-Mitgliedern aus neutraler Sicht ihr Verhalten zu spiegeln und so die Möglichkeit zu schaffen, dieses hin zu noch besserem Teamwork zu verändern. Dazu fliegt ein Assessor im Cockpit mit, beobachtet die Zusammenarbeit der beiden Piloten und bewertet diese in einem standardisierten Formular, dem sog. NOTECHS-Scoreform. NOTECHS steht dabei für Non-technical Skills, also für nicht-technische Fertigkeiten. Die Checkpunkte des NOTECHS-Formulars sind nachfolgend aufgelistet:

Co-Operation
  • Teambuilding & maintaining
  • Consideration of others
  • Support of others
  • Conflict solving

Management skills & leadership
  • Use of authority & assertiveness
  • Providing & maintaining standards
  • Planning & coordination
  • Workload management

Situation awareness
  • Awareness of aircraft systems
  • Awareness of external environment
  • Awareness of time

Decision making
  • Problem definition & diagnosis
  • Option generation
  • Risk assessment & option selection

Eine Bewertung nach so einem Schema ist außerhalb der Fliegerei eher unüblich. Hier spiegelt eher formlos ein Coach das Verhalten im Team wider. Agile Teams sind hier oft bewusster und reflektierter als traditionelle Projektteams.

>> Tipps für Ihr Projekt


Versuchen Sie als Vorgesetzter aktiv den Hierarchiegradienten zwischen Ihnen und den Mitarbeitern einzustellen:

  • Achten Sie auch auf kleine Handlungen, Gesten und Kommentare. Bedenken Sie die Wirkung auf den Hierarchiegradienten.
  • Ermuntern Sie schüchterne Teammitglieder, ihre Meinung zu sagen. Fragen Sie nach, wenn Sie keinen Input erhalten.
  • Machen Sie klar, dass Sie selbst nicht unfehlbar sind und nur alle zusammen zum Erfolg kommen können.
  • Lassen Sie aber keinen Zweifel daran, dass Sie die Entscheidungen treffen.

Machen Sie deutlich, dass Sie als Führungskraft nicht unfehlbar sind und, dass es für alle von Vorteil ist, wenn von Mitarbeitern Verbesserungsvorschläge oder Kritik kommen. Nur so können Sie das Wissen und die Erfahrung von allen Projektbeteiligten (intern und extern) optimal nutzen.

Denken Sie darüber nach, auch in klassischen Projektumgebungen mit Coaches zusammenzuarbeiten, um die Zusammenarbeit und Führung stetig verbessern zu können.

Wenn Sie mit agilen Teams arbeiten, können Sie den Teams das NOTECHS-Scoreform zur Verfügung stellen. Haben Sie keine Erwartungshaltung dazu. Vielleicht verwenden es manche Teams als Inspiration für ihre Retrospektiven, vielleicht auch nicht.